Schreiben in Coronazeiten

Wir alle sind genervt, dass die Zeit der Ungewissheit weiter anhält und wir nicht wissen, wann sie endlich vorbei sein wird. Zuhause bleiben und sich nicht gegenseitig besuchen dürfen, ist eine besondere Herausforderung. Immer nur kochen, essen und in die Glotze starren ist nichts für denkende Menschen. Wie können wir diese Zeit und jene übersprudelnde Fantasie, die oft bei aufkommender Langeweile aus uns herausbricht, sinnvoll nutzen?
Schreiben wir! Schreiben wir darüber, was uns durch den Kopf geht, was wir in dieser Zeit erleben oder vermissen, was wir uns wünschen, welche besonderen Verhaltensweisen wir an uns oder anderen beobachten, was sich wann, wo und wie ereignet hat. Oder erfinden wir Geschichten, in denen unsere Gedanken zu Wünschen, Hoffnungen und Haltungen zum Ausdruck kommen.
Schicken Sie uns per Email Ihre Texte als Geschichten, Gedichte oder Glossen. Wir werden sie auf diese Website stellen, damit auch andere daran teilhaben können. Wir versprechen Ihnen, Ihre Texte nicht inhaltlich zu verändern, soweit sie vom Recht der freien Meinungsäußerung gedeckt sind – behalten uns allerdings vor, gegebenenfalls Rechtschreibkorrekturen vorzunehmen.
Auf diese Weise kann ein Austausch von Ideen und Gedanken entstehen, der derzeit im direkten Kontakt nicht möglich ist. Das wird uns allen die Zeit des Wartens verkürzen.

Hans-Jürgen Fischer, Schreibpädagoge, (MA)


Para

Kürzlich habe ich begriffen
Wo die tiefe Wahrheit ruht
Und kein Mensch kann sie umschiffen
Werd´ ich von ihm auch ausgebuht

Mein Aluhut schützt mich vor Unbill
Vor Viren, Chemtrails und den Strahlen
So kann ich machen, was ich will
Soll´n andere die Zeche zahlen

Ich weiß, woher Corona kommt
Damit verdient Bill Gates viel Geld
Und obendrein sorgt er dafür
dass Verschwörer lenken diese Welt

Und darum lass ich mich nicht impfen
So kann mich keiner kontrollieren
Da können and´re noch so schimpfen
Und ihre „Wahrheit“ umfrisieren

Die Wahrheit ist, dass diese Viren
Nicht mehr tun als leichte Grippen
Drum hab ich nicht mehr zu verlieren
Als Marionetten ihre Strippen

Soll´n Ängstliche doch Masken tragen
Und Hände waschen stundenlang
Die Wahrheit lässt mich nicht verzagen
Ich halte durch und werd´ nicht krank

(Regiehinweis: Bei der letzten Strophe
stampft der Vortragende heftig mit dem Fuß
auf, sodass der Aluhut vom Kopf fällt.)

Hans-Jürgen Fischer, 31.08.2020


Fußgängertunnel No.1

ich bin wieder hier
im Corona-Quartier
die Maske ist weg
war nur etwas versteckt

ich atme tief ein
rieche Urin statt Wein
in meinem Quartier
wird wieder Maskenpflicht sein

Ich will aber nicht weg
aus meinem Revier….

Manfred Schulz 09/08/2020
nach dem Song von Marius Müller-Westernhagen:
Wieder hier


Wildente

Heute erlebte ich etwas Besonderes auf meinem nach Norden gelegenen Balkon (den ich ausnahmsweise letzte Woche vom Unkraut, was den Fußboden überwucherte, befreien ließ), alles blieb verstrubbelt mit Wildkräutern! Ich wohne im 4. Stock.
Seit einigen Wochen hatte ich ab und zu eine Wildente bemerkt, die sich auf einem der Pflanzkästen niederließ. Ich dachte: Oh, sie ruht sich aus, denn sie flog immer wieder weg. Irgendwann dachte ich nicht mehr an sie. Und heute am frühen Nachmittag sehe ich sie im Pflanzkasten, freue mich, aber auf einmal sehe ich zwei Küken!! Sie hatte sich also nicht ausgeruht, sondern war Brutgeschäften nachgegangen. Dann waren es plötzlich vier Küken! Wusel, wusel! Und unversehens waren es sechs! Noch mehr wusel! Auf einmal hüpfte die Mutter vom Pflanzkasten runter auf den Balkonboden – hat vermutlich die Küken gelockt – ich konnte es nicht hören. Nach vielleicht zehn Minuten ließ sich das erste Küken auf den Boden fallen. Die Andeutungen von Flügeln konnten nichts helfen. Aber es stand sofort auf und trippelte sehr schnell zu seiner Mutter. Dann folgten mit einigen Abständen die anderen. Als alle sechs unten waren, begann die Mutter hin und her auf dem Balkon zu laufen, immer wieder guckte sie unter dem Balkongitter nach unten (ich dachte nur: „Lass das! Das können deine Kinder noch nicht!“), aber plötzlich flog sie unter dem Balkongitter hindurch nach unten. Nun standen die sechs Küken erst etwas rat- und hilflos herum, bis – ich weiß nicht, nach wie viel Minuten – sich das erste in die Tiefe fallen ließ. Die anderen fünf trippelten wieder hin und her. Dann wagten sich allmählich weitere vier nach unten. Das letzte stand nun allein auf dem kargen Balkon, es hatte wohl Angst, rannte herum, fast hätte ich es fangen und zur Mutter tragen wollen, als es ebenfalls den Sprung in die Tiefe wagte.
Eine freundliche Mitbewohnerin, die ich eingeladen hatte, sich das Schauspiel anzusehen, sagte mir, dass etliche Menschen sich gekümmert hätten und zuguterletzt sei die Entenfamilie wohlbehalten zur Leine getragen worden.
Als ich nach allen dramatischen Ereignissen das Nest sehen wollte, lagen da nur die zerbrochenen Eierschalen auf dem unkrautüberwucherten Pflanzkastenboden. Die Entenmutter muss das für eine Art möblierter Wohnung gehalten haben, war erleichtert, kein Nest bauen zu müssen – nun weiß ich, warum ich ungern Unkraut, äh, Wildkräuter jäte.

Heiderose Risse, 23.6.2020


Klatschmohn

vielleicht vier Schritte
vom Rand zur Mitte
ganz vorn im Blick
blüht sie auffällig schick
der Halm zittert mit

entlang in der Krume
leuchtet Anna die Blume
schwankend und wogend,
vom Licht gereift
vom Wind gestreift

ob mit a von vorn
ob mit a von hinten
ob mit drei oder vier
ob mit dich oder dir…
oder allein oder wir.

Manfred Schulz
14. Juni 2020


Ein neuer Tag… (Muttertag)

Hinter dem Horizont
geht es morgen weiter
und die Alltagsfront
Ihr ständiger Begleiter…
„Ein neuer Tag“
Dö dö dö, dödö Döhrens Fee…

Manfred Schulz, 10. Mai / 3. Juni 2020
nach dem Text: Hinterm Horizont, von Udo Lindenberg


Vatertag

…und allein fuhr ich heut raus

und alle sind gut drauf
und alle Tauben gurren auch

und alle Bollerwagen bleiben zu Haus
und alle Väter auch?

und alle machen Ausflüge heute auch
und alle – an der Mauer auch

und alle schauen gen Himmel auch
und Alle fahren auf…

Manfred Schulz
21. Mai 2020


Blicke

Wenn ich durch die Straßen gehe
Begegnen mir viele Gesichter
Auch wenn viele davon mit Masken verhüllt sind
Kann ich dennoch in die Augen sehen

In ihren Blicken liegt nur selten
Souveränität und Sicherheit
Viele Blicke sind voller Angst
Und oft ist die Angst mit Dummheit gepaart

Die Anzahl solcher Blicke nimmt „gefühlt“ zu
Wenn Menschen mit diesem Zwitterblick an den Ecken stehen
Eng zusammen, der Mundschutz locker unterm Kinn baumelnd
Die Sonnenbrille keck in die fettige Frisur gesteckt

Ihre Covidioten-Alukugel lässig um den Hals gehängt
Höre ich sie reden
Angst und Dummheit lassen sie Dinge sagen
Für die man sie vor hundert Jahren in die Klapsmühle gesteckt hätte

Damals hätte man sie eingepackt in eine „Hab-mich-lieb-Jacke“
Und sie hätten Pillen schlucken müssen zur vorsorglichen Ruhigstellung
Aber jetzt haben wir eine aufgeklärte Demokratie
Auf die sie sich berufen

Und so können sie aufgeklärte Andersdenkende zu Geisterfahrern erklären
Obwohl sie selbst auf der falschen Seite unterwegs sind
Inzwischen haben sie eine Partei gegründet
Und sind dabei, die AfD rechts zu überholen

Kann sein, dass der erhoffte Impfstoff zu spät kommt
Erst nach der nächsten Bundestagswahl
Und dass bis dahin noch mehr Dünnschiss in ihre Hirne gepumpt wurde
Dann sehe ich Schlimmes auf uns zukommen

©2020 Hans-Jürgen Fischer


Mit Kultur Lustwandeln

Politiker auftreten wie Schamanen,
beglückt, verzaubert, sind voll Schikanen,
das Covid 19 – nichtsdestotrotz!
Entrückt gestrickt, wird ihnen zum Klotz.

Sie senken Finger, heben Tassen,
bewirken Alles, ohne etwas anzufassen,
erwirken für Corona eine Normalität:
„Nichtszuveranlassen“ wird Diät.

Vorbei – in Kultur mit Lust zu wandeln,
mit bunten Steinen, wie aufgezogen bandeln,
das Ufer Links und Rechts im festen Blick;
„Sichtreibenlassen“: ein Ministertick.

Manfred Schulz
16. Mai 2020

Collage

Coronagefährdete Döhrener Hinterhof-Bohémie vor dem Flanieren ….


Mach‘s mit, mach’s nach, mach’s …

Sapperlot und Heidenei,
wann ist dieser Spuk vorbei?
Denken wir doch gründlich nach,
anstatt auf einer Linie mit.

Mach’s mit, mach’s nach …
wird’s dadurch besser?

Schnurzegal mög‘n manche sagen
und all das gar nicht hinterfragen.
Doch was, wenn‘s jetzt so weiterläuft
und zu viel Gutes drin ersäuft?

Mach‘s mit, mach’s nach –
so wird’s nicht besser!

Dann gäb’s erst recht für Panik Grund,
denn mehr noch liefe nicht mehr rund.
Nicht jedes Rad muss neu erfunden werden –
ist das ein Grund für Zombie-Herden?

Mach’s mit, mach’s nach?
Das geht doch besser!

Mitunter ist nur eine Schraube
im Räderwerk der Zeitgeschichte
zu drehen oder auszubremsen –
schon bildet sich `ne neue Spur.

Mach dieses mit und denke nach,
dann geht’s bestimmt auch wieder besser!

So mach es mit und mach es nach,
statt stumpf zu glauben, was man sprach.
Auch hält das allenthalben fit,
anstatt der Latsch im gleichen Schritt.

Mach also mit und denk‘ mit nach,
warum so viel sich widersprach.

Und wie das geht – hat das vor Zeiten
anhand von einer Zeig-Maschine
nicht Ernie schon dem Bert erklärt,
mit welcher Frage man ganz gut verfährt?

© 05.05.2020 dp.


Blaugelbe Einsichten

Dieser noldige Landstrich
ohne einen Zuspruch von Bäumen.
Überall lagern verholzte Gebeine,
abgelenkt und gedämpft
wird die Seele durchschlingert;
Frühlingtage in verseuchter Klimazeit.
Eiszeitliche Feldkiesel beschauen
einsam verstreut den stehenden
hochspannungsgeladenen Masten.
Auflösbar wehende Szenarien
fern hochschießender Wolkenbilder
wirken im allmächtigen Blaulicht
wie ein abgefeuerter Kugelhaufen.
Man grübelt: Alte Normalität oder Neue?
Was für eine Farbe (Frage)…

Manfred Schulz, 06. Mai 2020



(Copyrigth Manfred Schulz)


Eines Tages

Diese Tage werde ich
mit dem Wind laufen,
nicht meine stachelige
rote Gymnastikkugel gegen
eine mit Saugnäpfen
tauschen, meine silbernen
Haare, ohne zu schneiden, kämmen
und vielleicht wieder färben.

Werde ich eines Tages unschuldig
älter, …reifer heulen. Ich!
Eines Tages werde ich wieder
daran erinnert zu grüßen
mit diesen zwei Worten:
Bleib gesund!

Manfred Schulz
im april/mai 2020


Coronare Zustände

Blühende Wiesen
Pferdehufe, Nüster niesen
Hangaufwärts
Flussabwärts
Nahende Lüfte
Verschleierte Düfte
Zuhause
In einer Zwangspause,
Tägliches Hämmern –
Menschen im Dämmern

Manfred Schulz
im April 2020


Teufel an der Wand

Teufel, Teufel an der Wand,
Wer hat dich dort rangemalt?!
Kennt er nicht des Hirnes Leistung
zu erneuern sich bis an den Rand,
steuern dann mit sich’rem Halt
nur zum Besten für das Land?

Gäb’s da nicht den riesen Klüngel!
Der, der Ehrlich- und Gerechtigkeit
mitunter sieht als lästig Übel
und vielfach gerne spielt auf Zeit,
bis der Mangel riesengroß!
Nennt man sowas dubios?

Teufel, Teufel an der Wand,
Wer hat dich dort rangemalt?!
Kennt er nicht des Hirnes Leistung
zu erneuern sich bis an den Rand,
steuern dann mit sich’rem Halt
nur zum Besten für das Land?

Sollt‘ wohl bestenfalls so sein,
und zwar ohne Zwangsmanier
oft durch der Geflechte Übel,
ungeachtet all der Pfründe,
all der Tricks auf Bütt’lpapier,
dann wär‘ mal endlich Schluss der Gier!

Teufel, Teufel an der Wand,
Wer hat dich dort rangemalt?!
Kennt er nicht des Hirnes Leistung
zu erneuern sich bis an den Rand,
steuern dann mit sich’rem Halt
nur zum Besten für das Land?

Könnt‘ dann selbstverständlich sein,
dass die Armen dann nicht zahlen
wieder den entstand’nen Schaden.
Kommt es aus der Reichsten Schlund,
ist‘s für die doch eher Schwund,
bringt den Ander‘n aber wen‘ger Pein.

Teufel überall im Land,
schämt sich nicht mal ob der Schand!
Zwar sind die Maler gar nicht neu,
doch alle haben‘s noch nicht erkannt.
Nur einer freut sich über diese Scheu,
denn allenthalben wartet schon der Spekulant.

Sollt‘ doch besser nicht so sein,
das wär nicht nur sehr gemein!
Denn dieser Teufel über Lande
macht sich breit in jeglich Herz,
während and’re sich schon salben,
würd’n sie doch die Sieger sein.

Teufel, Teufel an der Wand,
Wer hat dich dort rangemalt?!
Kennt er nicht des Hirnes Leistung
zu erneuern sich bis an den Rand,
steuern dann mit sich’rem Halt
nur zum Besten für das Land?

Sollt‘ wohl bestenfalls so sein,
nicht zu wahren falschen Schein.
Doch zu verhindern weit’res Übel,
fordert Mut und geraden Rücken,
kein Gewanke mehr und schwammig Reden,
denn das stutzt einst starke Flügel!

© 24.04.2020 dp.


Coronahelden (Songtext)

1.
Ihr schiebt die Betten durch die Räume
Die Menschen darin atmen schwer
Ihr habt Furcht und schlechte Träume
Die Ablösung kommt heut nicht mehr

Refrain:
Coronahelden seid willkommen
Heute werdet Ihr gebraucht
Doch jene Zeit wird wiederkommen
Wo euer Schornstein nicht mehr raucht

2.
Ihr sitzt mit Mundschutz an den Kassen
Und schiebt die Waren übers Band
Ihr fühlt euch sehr allein gelassen
Obwohl Ihr Helden seid im Land
(Refrain)

3.
Sechs Kinder habt Ihr in der Gruppe
Deren Eltern schuften so wie Ihr
Doch andere sind zu Hause heute
Die Läden sind geschlossen hier
(Refrain)

4.
Jahrzehntelang habt Ihr gekämpft
Für Anerkennung und mehr Lohn
Die Sahne schöpften and´re ab
Was Ihr bekamt war deren Hohn
(Refrain)

5.
Was Ihr jetzt hört ist nur Gerede
Ihr werdet wieder leer ausgeh´n
All die Schwüre sind vergessen
Wenn bessere Zeiten ansteh´n
(Refrain)

©2020 Hans-Jürgen Fischer


Storchenerlebnis

Heute war ich mal wieder in der Leinemasch und hatte das Glück, in beiden Storchennestern auf meinem Weg je einen Nestbewohner zu Hause zu sehen. Der erste begann plötzlich zu klappern, was das Zeug hielt. Jede Mühle am rauschenden Bach wäre neidisch geworden!
Beim zweiten war es noch spannender. Auch er allein im Nest. Nach ca. 10 Minuten kreiste auf einmal ziemlich hoch oben ein Storch, und ich dachte, oh, der Gefährte. Die Kreise wurden niedriger, aber er ließ sich nicht auf dem Nest nieder. Plötzlich zog ein Storchenpaar – nicht ganz so hoch – seine Kreise über dem Nest. Als der allein fliegende Storch sich dem Nest stark näherte, stand der drin befindliche auf, schlug heftig mit den Flügeln und klapperte – geradezu unheilverkündend. Der Alleinflieger zog ab. Das Paar hingegen kreiste weiter über dem Nest. Irgendwann ließen sie sich auf der Wiese, nahe dem Nest, nieder, standen erst steif einander gegenüber wie Statuen, bis sie – genau erkennen konnte ich es nicht – nach Futter zu suchen begannen. Zunächst mal eine total ruhige Situation, wie aus einem Bilderbuch. Dann stand der Storch in seinem Nest unerwartet auf, flog Richtung Pärchen, das seinerseits aufflog, „mein“ Storch verfolgte sie eine Weile und kehrte dann befriedigt (wünsche ich ihm) ins Nest zurück. Dort legte er sich ruhig nieder.
Und ich machte mich weiter auf den Rückweg.

Heiderose Risse


Ist er’s?

Dieser Frühling lässt die Viren
wabern durch die Blütendüfte,
trügerisch und unbekannt
schwappt es unsichtbar durch’s Land.

Viele Menschen träumen noch,
all die Wanderer – wollen‘s nicht glauben.
Indes die Stimmen werden lauter!
Dieser Frühling ist ein anderer,
könnt uns der Fröhlichkeit berauben!

Denn dieser Frühling lässt die Viren
wabern durch die Blütendüfte,
trügerisch und unbekannt
schwappt es unsichtbar durch’s Land.

Jedoch die Menschen träumen weiter,
überschreiten nun auch andere Grenzen.
Sie kreieren neue Spitzenreiter,
die mit Ungewohntem glänzen.
Ja, dieser Frühling ist ein anderer …
wird unser Handeln jetzt gescheiter?

Weil diesen Frühling all die Viren
sich auf der Erde weit verbreiten,
entstehen auch so manche Schmieren,
versprechen tückisch teuer Seligkeiten.

Indes die Stimmen werden jetzt ganz laut,
denn viele Menschen denken weiter,
bewahren uns den festen Glauben,
an das, was bess‘re Zukunft baut,
denn diese woll‘n uns nicht berauben –
gut geht‘s Leben so nur weiter!

Frühling – nicht wie andere waren,
schweißt jetzt neu manch grünes Band.
Dieses gilt es zu bewahren –
dann weht Zuversicht durch’s Land!

Mitte April 2020 / dp. Nach Eduard Mörike „Er ist’s“


Hier ein Gedicht aus anderer Zeit, auch für diese Zeit:

Glück

Glück ist gar nicht mal so selten,
Glück wird überall beschert,
vieles kann als Glück uns gelten,
was das Leben uns so lehrt.

Glück ist jeder neue Morgen,
Glück ist bunte Blumenpracht,
Glück sind Tage ohne Sorgen,
Glück ist, wenn man fröhlich lacht.

Glück ist niemals ortsgebunden,
Glück kennt keine Jahreszeit,
Glück hat immer der gefunden,
der sich seines Lebens freut.

Clemens von Brentano

Dieses Gedicht begleitet mich und meine Mitreisenden immer als Abschluss einer Fahrt.
Unsere Reiseleitung Frau Beyer liest es uns immer kurz vor Hannover vor.
Als Dank, dass die Reise so gut verlaufen ist,
Leider fallen alle Reisen: Ostsee, Berlin, Spreewald aus.
Auch fallen die KI Veranstaltungen in Mittelfelde dem Corona zum Opfer.
So das ich alle meine Aktivitäten einstellen muss, wie ja viele von uns.
Hoffen wir auf Besserung,

Helga Roeddecker


Nachricht

Ich bin das Virus und habe Euch Folgendes zu sagen: Mutter Natur hat mich in höchster Not als Warnsignal geschickt. Alle bisherigen Katastrophen (Waldbrände, Überschwemmungen, Artensterben, Klimawandel) sind von Menschen verursacht und können vermeintlich auch von ihnen beherrscht werden. Ich bin anders, ich bin neu und nicht so leicht zu beherrschen. Ich hoffe, das bringt Euch zum Nachdenken.
Es muss endlich aufhören, dass Ihr mit Eurer Intelligenz und Arroganz die Erde ausbeutet, aus Gier die Resourcen verschwendet und Euch auf Kosten der Natur und ärmerer Menschen ein luxuriöses Leben gestattet.
Eure Intelligenz ermöglicht es Euch, im Weltraum nach Ausweichplaneten zu suchen, die Ihr besiedeln könnt, wenn die Erde unbewohnbar wird. Ich frage mich, warum die Unsummen Forschungsgelder nicht verwendet werden, um den für Euch idealen Lebensraum Erde zu erhalten und allen Menschen ein würdiges Leben zu ermöglichen.
Natürlich ist das nicht ohne Verzicht möglich; aber was bedeutet Verzicht beispielsweise für einen armen Menschen in Afrika oder Asien: Er hat nichts, worauf er verzichten könnte.
Ist es wirklich so schlimm, mal sein Glas Wein zuhause zu trinken statt in der Kneipe? Viele empfinden das schon als schwere Beschneidung der Freiheit und unzumutbaren Verzicht.
Andererseits ist es erfreulich, dass in der Not ich als unbekannter Feind solidarisch bekämpft werde, dass z.T. uneigennützige Hilfsbereitschaft und Rücksichtnahme entsteht. Wenn nach der Krise diese neue (eher verschüttete) Solidarität andauern könnte, wäre das eine hoffnungsvolle Entwicklung. Ich hoffe sehr, dass mein Einsatz zum Nachdenken über die Zukunft der Erde anregt und den verzweifelten Einsatz weiterer unbekannter Viren unnötig macht.
Jeder und jedem von Euch möchte ich die persönliche Bekanntschaft mit mir ersparen und sende Euch Grüße.

Euer Virus

Von Adele Himstedt


besuche

morgens gehen wir los. möglichst früh, das ist wichtig. gegen 11h wollen alle raus, da verschwinden wir flux wieder im homesweethome.
morgens sind da nur die hundespazierenführerInnen, die jogging-heroes – und wir. abstand! abstand! wir machen abstands-besuche. heute bei den störchen, die weit weg oben in ihren nestern kauern. manchmal sieht man sie gar nicht. manchmal erheben sie sich. wir sehen den störchen beim bettenmachen zu. da wird gezogen und gezuppelt, bis nichts mehr piekt, sich dreimal gedreht, bis alles passt. manchmal bringt der storchenmann noch etwas füllmaterial. oder was zu knuspern für die liebste. da kann man dann den anflug beobachten, hinweg übers graue feld. die ausgebreiteten weiten schwingen, die roten beine, herrlich! im schnabel zappelt etwas. frosch? fisch? maus? maulwurf? es ist nicht zu erkennen.
eine frau in quietschgrün steigt vom fahrrad, schaut gespannt und ruft euphorisch: das ist ja toll, da fliegt ja ein flamingo!
da guckten wir uns an mit offenen mündern, gingen schnell davon und fragten uns: ist sie (farben)blind oder hat sie was genommen?

Aus dem Tagebuch von Sylvia Hagenbach, 7.4.2020.
Mehr in ihrem Blog: http://www.sylviahagenbach.de/